Statement zur Sprache des Gewinnerfilms im Kurzfilmwettbewerb der UFFB 2025
“Can You Hear Me?” by Anastazja Naumenko

Der diesjährige Gewinner des Kurzfilmwettbewerbs des Ukrainian Film Festival Berlin ist “Can You Hear Me?” von Anastazja Naumenko, ausgewählt von einer internationalen Jury. Kurz nach der Bekanntgabe erhielt das Festival eine Welle von Kritik, weil die Dialoge im Film auf Russisch sind. Auf diese Situation möchten wir im Folgenden eingehen.

Die Aufführung eines Films auf Russisch beim Festival bedeutet nicht, der Sprache des Aggressors eine Plattform zu bieten oder sie zu unterstützen. Der Film ist ein animierter Dokumentarfilm, und seine Tonaufnahmen – private Gespräche zwischen einer Mutter und ihrer Tochter – wurden vor 2022 gemacht. In diesem konkreten Fall war die Verwendung des Russischen keine bewusste Entscheidung, die russische Sprache zu befürworten, obwohl Ukrainisch eine gleichwertige Alternative gewesen wäre. Sie zeigt als Dokumentarfilm die komplexe sprachliche Situation in der Ukraine, insbesondere so, wie sie vor 2022 bestand.

Die russische Sprache erscheint in vielen zeitgenössischen ukrainischen Dokumentarfilmen. Solche Werke vollständig auszuschließen, hieße, einen wesentlichen Teil der ukrainischen Realität zu verfälschen und damit mehrere Filme aus dem diesjährigen Festivalprogramm zu schmälern.

Die Sprechenden in diesen Filmen sind überwiegend Ukrainerinnen und Ukrainer, die infolge jahrhundertelanger Kolonialpolitik und systematischer Russifizierung Russisch als Erst- oder Umgangssprache verwenden. Diese historische Realität kann nicht ignoriert werden, und es ist unsere gemeinsame Verantwortung, ihr mit Bedacht zu begegnen und sie zu reflektieren.

Als Festival haben wir den Film aufgrund seiner beeindruckenden Animation und seiner sensiblen Erkundung der oft komplexen Kommunikation zwischen den Generationen ins Programm aufgenommen. Ein Film wird Teil des Programms des Ukrainian Film Festival nicht nur, weil er spezifisch ukrainische Themen anspricht, sondern auch, weil er universelle menschliche Fragen berührt, die bei einem internationalen Publikum Resonanz finden. In diesem Fall ist die verwendete Sprache ein wahrheitsgetreues Abbild der sprachlichen Realität der Ukraine vor 2022. Darüber hinaus unterstreicht in diesem Film die Verwendung des Russischen in der Kommunikation mit der älteren Generation – unseren Eltern – häufig in privaten Kontexten erneut generationenübergreifendes Trauma und Kommunikationsschwierigkeiten, während die jüngere Generation zunehmend Ukrainisch als ihre primäre Sprache wählt.

Als Festival unterstützen wir nicht die russische Sprache, sondern unterstützen wahrhaftige dokumentarische Werke und Kunstwerke, die die Mehrsprachigkeit der Ukraine realistisch darstellen.

Da der Gewinnerfilm als repräsentativ für das Festival angesehen wird, ist diese Entscheidung von einigen als Befürwortung der russischen Sprache interpretiert worden. Wir möchten klarstellen, dass wir als Festival die Entscheidung der Jury nicht beeinflussen oder ändern können. Der Jury gehörten in der Ukraine ansässige Mitglieder an, die führende Dokumentarplattformen der Filmbranche repräsentieren. Zudem nehmen alle großen ukrainischen Filmfestivals – wie Docudays UA, Molodist und das Kyiv International Short Film Festival ebenfalls Filme mit russischer Sprache in ihre Programme auf. In diesem Sinne steht die UFFB nicht außerhalb der breiteren ukrainischen Festivallandschaft, die das ukrainische Kino in seiner Vielfalt gemeinsam repräsentiert.

Wir erkennen jedoch an und bedauern zutiefst, dass während des Festivals kein begleitender Hinweis oder keine kontextualisierte Diskussion angeboten wurde – etwa ein Gespräch mit der Regisseurin oder ein Q&A –, in der die Frage der Sprachauswahl hätte angesprochen werden können. Dies war ein Versäumnis unsererseits, für das wir uns aufrichtig entschuldigen. In Zukunft werden wir sicherstellen, dass solche kontextualisierenden Formate zu einem integralen Bestandteil unserer Festivalpraxis werden.

Für uns bedeutet eine kritische Auseinandersetzung mit Sprache und Kolonialgeschichte nicht, Filme, die Mehrsprachigkeit aufweisen, auszuschließen, sondern ihre kontextualisierte Präsentation sicherzustellen – durch Inhalts-Hinweise, erläuternde Materialien und begleitende Diskussionen. Wir erkennen an, dass dies in diesem Jahr nicht vollständig umgesetzt wurde, und entschuldigen uns erneut aufrichtig.

Die entstandene öffentliche Diskussion nehmen wir zum Anlass, unsere kuratorische Praxis weiterzuentwickeln und Fragen von Sprache, Identität und historischer Verantwortung künftig mit größerer Sensibilität, Transparenz und Reflexion anzugehen.

Team des Ukrainian Film Festival Berlin

3. November, 2025